11.12.2018

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Material der Zukunft

Interview mit Prof. Samuel Schabel, Leiter des Fachgebiets Papierfabrikation und Mechanische Verfahrenstechnik an der TU Darmstadt

In vielen Medien liest man, dass Plastikverpackungen die Meere „vermüllen“ und die Umwelt belasten. Gibt es ökologische Alternativen aus faserbasierten Materialien?
Zunächst sei festgehalten, dass Plastikverpackungen nicht zwingend die Meere vermüllen und die Umwelt belasten. Gerade in Deutschland gibt es durchaus geordnete Entsorgungswege für Verpackungen aus Plastik. Am ökologischsten wäre – wo immer dies möglich ist – ein Verzicht auf Verpackungen. Andererseits übernehmen Verpackungen wichtige Aufgaben: Sie schützen Lebensmittel und viele andere Produkte vor Beschädigung und Verderb. Sie liefern Informationen über den Inhalt eines Pakets und vereinfachen Logistik und Transport. Ein großer Teil der Verpackungen wird ohnehin schon aus Papier, Pappe und Karton, also aus faserbasierten Materialien hergestellt. Die Herausforderung liegt vielmehr dort, wo funktionale Eigenschaften gefragt sind, die den Inhalt vor Feuchtigkeit oder Sauerstoff schützen oder eine Verpackung wasser- bzw. fettdicht machen. In diesem Bereich haben Kunststoffe ihre Stärke und es ist nicht ganz einfach, faserbasierte Alternativen zu finden, die nicht ebenfalls durch Kunststoffbeschichtungen oder andere Zusatzstoffe entsprechend ausgerüstet sind.

Wo liegen die Stärken der Werkstoffe Papier und Wellpappe?
Diese Werkstoffe bestehen vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen und können im Prinzip auch ausschließlich mit „nachhaltiger“ Energie hergestellt werden. Die Produktionsprozesse sind etabliert und effizient. Die Produktion ist zwar energieintensiv, nutzt aber in einem sehr hohen Maße die Kraft-Wärme-Kopplung. Das Material kann sehr gut rezykliert werden und die entsprechenden Prozesse sind ausgereift. Häufig sind Produktionsanlagen in Ballungszentren und damit auch die Wege zwischen Herstellung, Nutzung und Recycling kurz. Auch das schont Ressourcen. Papier hat, bezogen auf sein Gewicht, hohe spezifische Festigkeiten und ist in großen Mengen verfügbar. Darüber hinaus lässt sich Cellulose sehr einfach funktionalisieren, beispielsweise auch mit Naturstoff-basierten Lösungen, die vor Feuchtigkeit schützen oder eine Barrierewirkung haben.

Unabhängig von Verpackungen: Welche innovativen Einsatzmöglichkeiten von Papier und Wellpappe bringt die Zukunft? Woran forschen Sie?
Wir forschen unter anderem daran, Papier als Werkstoff für den Baubereich zu entwickeln. Da geht es zum einen um spezifische Materialkonzepte mit hohen Festigkeiten, Wasserbeständigkeit und anderen Eigenschaften. Zum anderen arbeiten wir an Gestaltungskonzepten für Bauanwendungen, die auf die Eigenschaften von Papier abgestimmt sind. Hier bieten sich insbesondere Chancen für Leichtbaukonzepte aus Papier, also klassische oder modifizierte Wellpappe, Wabenplatten oder spezielle Sandwich-Konstruktionen. Darüber hinaus erleben wir zurzeit fast schon einen Boom an Ideen für innovative Anwendungen von Papier.

Warum halten Sie Papier und Wellpappe für Materialien mit Zukunft?
Papier besteht aus nachwachsenden Rohstoffen und ist heute schon vollständig mit regenerativen Energien herstellbar. Außerdem kann es sehr oft recycelt werden und wird heute schon für zahlreiche Anwendungen genutzt. In der Vergangenheit gab es ja auch schon Autos und Flugzeuge aus Papier. Vielleicht sehen wir das in naher Zukunft wieder. Papier nutzt mit der Pflanzenfaser ein Hightech-Produkt der Natur: eine komplexe Leichtbaustruktur, aufgebaut aus Zuckermolekülen, mit sehr hohen Festigkeiten und enormer Flexibilität.

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